Reiseberichte

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Einführung

Die Kriegserklärung der Sri Lankischen Regierung im Januar 2008 kam nicht überraschend. Über Monate wurden die Tamilengebiete regelmässig bombardiert und irgendwann konnte man dies nicht mehr als reine Vergeltungsmassnahmen deklarieren.

Dem erneuten Kriegsausbruch folgten Reisewarnungen aller europäischen Länder, was zur Folge hatte, dass Charterflüge eingestellt und Linienflüge stark dezimiert wurden. Ausserdem war anzunehmen, dass die LTTE unter Druck vermehrt Anschläge verüben würde, was sich leider sehr schnell bewahrheitete.

Colombogemeinsames Mittagessen mit unseren Freunden

Zusammen mit dem schlechten Gesundheitszustand von Michels 91 jährigen Onkel waren die Bedingungen für eine Reise im Frühling nicht gegeben.

Nach mehrwöchigem Spitalaufenthalt wurde der Onkel im September von seinem Leiden erlöst und wir konnten einen Besuch von Sri Lanka ins Auge fassen. Der Kriegszustand und die Reisewarnungen bestanden zwar nach wie vor, aber es würde nicht unsere erste Reise unter diesen Bedingungen werden.

Wir starteten am 25sten Oktober in Zürich und freuten uns auf das warme Wetter, unsere Freunde und auf viel Schlaf und Erholung.

Kaum hatten wir unseren Besuch angekündigt, kamen drei Zusagen, uns vom Flughafen abzuholen......... Um niemanden vor den Kopf zu stossen, holte uns unser Fahrer ab, der uns seit langem sicher in Sri Lanka herumfährt.

Die Kleider gewechselt, die Simcard ausgetauscht und es war, als seien wir nur kurz weg gewesen. Es schien nicht genug Mittage und Abende zu geben, um allen Einladungen zu folgen und andauernd klingelte das Telefon. Später haben wir das „Problem“ gelöst, indem wir Humaid (unser erster Kontakt in SL und mein bevorzugter Juwelier), Roy (ein Geschäftsfreund von Humaid und unser Kontakt in Hambantota) und Anura Sam (den wir aus dem Pool gezogen hatten) mit Familien übers Wochenende in unser Ferienhotel einluden. Leere Zimmer hatte es im Überfluss, und wir hatten eine grossartige Zeit zusammen.

Tea Time im GartenGruppenfoto im BHotel Ceysands

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anura liess es sich nicht nehmen uns nach unserer Ankunft im Hotel zu begrüssen. Wir haben uns sehr über das Wiedersehen gefreut, über dieses und jenes gesprochen und völlig unvermittelt meinte er, wir sollten uns bloss vorstellen, wir seinen damals nicht am Pool gewesen........... „There would be no more Anura at all”.

Ich hatte sehr viel an den Vorfall denken müssen, zumal es fast dreiviertel Jahr dauerte, bis meine Schulter wieder in Ordnung war, und es ist ein sehr spezielles Gefühl, dass jemand herumläuft, der einem das Leben verdankt, ohne dass man ihn geboren hat!?

Am nächsten Abend lud er uns zu sich nach Hause ein, damit wir seine Familie kennen lernen, und wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie leben in einem Haus in der Nähe des neuen Parlamentes, und wie in allen Sri Lankischen Familien hatten Fotografien einen speziellen Stellenwert – das halbe, sehr grosse Wohnzimmer war voll davon.

Anscheinend war uns anzusehen, dass wir nicht erwartet hatten, dass ein Major der Armee in solchen Verhältnissen leben würde  und Anura meinte leichthin, das Haus sei die Mitgift seiner Frau gewesen. Ihr Vater sei Tourismusminister der southern Province und als sie gebaut hätten, sei die Gegend noch nicht so teuer gewesen. Dann sei das wohl sein Schwiegervater, Hände schüttelnd mit dem Präsidenten auf dem Foto? Nein, nein, das sei sein Vater. Der würde auch für die Regierung arbeiten. Auf seinem Hochzeitsfoto die Frau zu entdecken, die den gleichen Namen trägt wie der Flughafen, überraschte uns dann nicht mehr all zu sehr. Anuras mit seineer FamilieJa, ja – sie sei eine ihrer Trauzeugen gewesen............als ob dies das normalste der Welt sei. Und wir hatten uns überlegt, ob wir seine Familie mit Humaids und Roys zusammen bringen könnten, ohne eine der unzähligen, sich uns nicht gänzlich erschliessenden Regeln in Sri Lanka zu verletzen!?

Und dann glänzten Anuras Augen vor Stolz, als er auf die gerahmte Urkunde mitten in all den Fotos zeigte, die beschied, dass sein ältester, 7-jähriger Sohn ein gewissenhafter und disziplinierter Schüler sei.

Michel Augen glänzten, als er mit dem Offizierssäbel von Anura spielen durfte J

Als wir gegen elf aufbrechen wollten, gingen alle Lichter aus. An und für sich nichts Aussergewöhnliches in SL, jedoch ging fast gleichzeitig Anuras Handy los. SIE greifen Mannar an! Das mit SIE die Tamiltigers gemeint waren, war uns blitzartig klar, aber weshalb gingen in Colombo die Lichter aus, wenn eine Stadt fast 200 Km weiter nördlich angegriffen wurde? Die Aufklärung folgte durch einen weiteren Anruf aus dem Hauptquartier kaum zwei Minuten später: „Colombo is under attack............“.

Ich habe schon in früheren Berichten versucht zu beschreiben, wie dunkel es in SL nachts wird, aber in Colombo die Hand nicht mehr vor den Augen sehen zu können, ist sehr gespenstig.

Die LTTE verfügt seit längerem über vier umgebaute Kleinflugzeuge und bombardiert damit strategisch wichtige Ziele der Regierung. Da die Flugzeuge wirklich klein sind und sich die Tigers bisher als sehr zielsicher erwiesen hatten, machten wir uns keine grossen Sorgen und Anura fand auch, er könne uns ins Hotel zurückfahren.

Suchscheinwerfer in ColomboDie Fahrt gestaltete sich allerdings ziemlich schwierig. Wir waren kaum ein paar Kilometer gefahren, als Soldaten auf die Fahrbahn sprangen und uns wild fuchtelnd bedeuteten, zu stoppen und die Lichter auszumachen. Wo eben noch ein Dutzend Fahrzeuge standen, war nichts mehr zu sehen, nur noch das Flüstern der anderen Fahrzeuginsassen zu hören. Das mitten in einer Millionenstadt und als ob Flüstern etwas geändert hätte.

Nach einer Weile näherte sich aus unserer Fahrrichtung ein Auto und im Licht der Scheinwerfer konnten wir sehen, dass die Soldaten verschwunden waren. Da das Auto an uns vorbeifuhr, setzte sich auch der Rest wieder in Bewegung und keine zwei Kilometer weiter begann das Spiel von vorne. Mittlerweile zerschnitten Suchscheinwerfer den Himmel und wir waren bis auf einen Kilometer an das Hotel herangekommen.

Durch Anura waren wir immer auf dem neusten Stand: Ein Kraftwerk, ca. 7 Kilometer von unserem Hotel entfernt, war Ziel der Attacke.

An einer Strassensperre zeigte er seinen Armeeausweis und wir durften die Sperre umfahren, und ohne Licht krochen wir im Schritttempo auf das Hotel zu. Auch dort brannte nur die Notbeleuchtung, und wir fragten ihn, ob er nicht dableiben wolle, bis sich die Situation beruhigt hätte?

Der Angriff sei vorbei und er käme problemlos nach Hause, ausserdem sei er seit 20 Jahren Soldat. Und plötzlich traten dem grossen Mann Tränen in die Augen. Seine Frau und seine drei kleinen Söhne würden ihn brauchen, er könne sie nicht alleine lassen. Uns war blitzartig klar, dass seine Emotionen nichts mit umgebauten Kleinflugzeugen zu tun hatten.

Es muss auch ein sehr spezielles Gefühl sein, anderen Menschen als seinen Eltern ins Gesicht zu schauen mit dem Wissen, ohne sie nicht da zu sein.

Eine halbe Stunde später kam der Anruf, er sei wohlbehalten zu Hause.

Die Tage in Colombo waren viel zu schnell vorbei und wir fuhren mit unserem Fahrer Victor nach Hambantota.

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