Diese Autorität kam auch zum Tragen, als wir Ruhi und ihre Grosseltern besucht haben. Der Grossvater stand im wahrsten Sinne des Wortes stramm und die diffuse Geschichte um Paten für das Mädchen von Child Fund Australia wurde um ein paar weitere Fakten erhellt.
Bestehen blieb die Tatsache, dass das Mädchen in fast zwei Jahren zweimalig eine Zahlung von umgerechnet ca. 11 Franken erhalten hatte von CCF (Christian Child Fund) Hambantota. (nicht, wie ich im Frühling verstanden hatte, im Abstand von zwei Monaten) Die vom Grossvater geforderten Briefe, auf Papier mit Child Fund Signet, werden in diesem Büro übersetzt und er zeigte uns die Kopien seiner Originale in singhalesischer Schrift.
Der Grossvater muss in regelmässigen Abständen in dem Büro mit einem Dankesbrief vorstellig werden, erhält eine Kopie seines Schreibens und die Übersetzung wird an die Paten in Australien verschickt.(!?)
Das Büro betreut allein in der Stadt Hambantota 100 Waisenkinder – man rechne.
Da er der englischen Sprache nicht mächtig ist, hat er sich dort auch den Brief an Max und Christine Mesmer-Wälchli übersetzen lassen und auf diesem Weg ist das Foto der australischen Familie in den Brief an sie geraten.
Roy hat einen Brief mit der Registrierungsnummer von Ruhi beim CCF an sich genommen und wird versuchen, die genauen Daten der australischen Familie zu erfahren, damit wir mit ihnen in Kontakt treten können. Als Spender von 39 Austr.$ pro Monat haben sie im Gegensatz zu uns das Recht, vom Child Fund Auf-klärung zu verlangen.
Ruhi ist ein fröhliches, aufgewecktes Mädchen, das mittlerweile daran glaubt, dass ein neuer Tsunami eines Tages ihre Eltern wieder zurückbringen wird. Die Grosseltern sind in das Haus der verstorbenen Eltern gezogen. Es liegt direkt hinter ihrem eigenen, in dem jetzt Ruhis Onkel mit seiner Familie wohnt. Die Kleine ist durch die wiederholten Besuche immer zutraulicher geworden und ich wurde erstmals mit einem zaghaften Küsschen auf die Wange verabschiedet.
Dank Roy war es auch möglich, mit dem Onkel von einem anderen Waisenmädchen über einen Kontakt mit der Flutwaisenhilfe Deutschland zu reden.
Bei Recherchen im Internet nach dem Vorfall mit dem vertauschten Foto war ich über ihre Per-sonalien bei besagter Organisation gestolpert. Ich habe Kontakt mit der zuständigen Person auf-genommen, die bestätigte, dass das Mädchen von ihnen unterstützt worden sei. Ihre Unterstützung hatte jedoch geendet, bevor durch uns eine Patin in der Schweiz eine Patenschaft für das Mädchen übernommen hatte, und so liess ich die Sache auf sich beruhen.
Der Onkel von Fatima erklärte klipp und klar, nie eine einzige Rupie von irgendeiner Organisation erhalten zu haben, das Geld aus der Schweiz sei die einzige Unterstützung, die sie je erhalten hätten.
Ich werde selbstredend wieder Kontakt mit der Flutwaisenhilfe Deutschland aufnehmen um zu erfahren, durch welche Organisation vor Ort ihre Gelder „verteilt“ wurden.
Fatima ist noch hübscher geworden, hat den O-Level erfolgreich abgeschlossen und wird zwei weitere Jahre bis zur Matur zur Schule gehen.
An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei der Bank Cial bedanken, die nebst ihrer grosszügigen Unterstützung auf Spesen für Überweisungen verzichtet und wir die monatlichen Zahlungen so direkt an die Familien der Patenkinder senden können.
Dank Roy war es möglich, Resla im Gewirr der Tsunami-Häuser in Siribopura ausfindig zu machen. Sie lebt bei ihrer Grossmutter, der Resla als einziges Grosskind geblieben ist, auch alle ihre Kinder sind beim Tsunami umgekommen.
Die Grossmutter arbeitete zum Zeitpunkt des Unglücks in den UAE und so sind ihr immerhin die Fotos, die sie bei sich hatte, geblieben. Besonders das Foto ihrer jüngsten Tochter mit dem kleinen wohlgenährten Enkelsohn drückte mir fast das Herz ab und man kann einfach nur bewundern, mit welchem Mut diese Menschen ihr Leben meistern.
Resla ist gleich alt wie Fatima und auch sie ist eine sehr gute Schülerin, die weitere zwei Jahre zur Schule gehen wird.
Maduka zeigte als erstes seinen ramponierten Frontzahn vor. Ein kleiner, von einem vor-beifahrenden Lastwagen hoch-geschleuderter Stein hatte ihm ein Stück davon ausgeschlagen und es war etwas notdürftig geflickt worden. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt einen Zahnarzt suchen, der sein Fach versteht, zumal der Junge ausserordentlich schöne Zähne hat.
Er hat sich sehr über das Schweizer Armeemesser, das seine Patin für ihn mitgegeben hat, gefreut und hoch und heilig versprochen, sorgfältig damit umzugehen.
Wir haben mit ihm ausgemacht, am nächsten Tag nach der Schule Schuhe kaufen zu gehen, und ihn gebeten, auch seinen Cousin mitzubringen. Als wir zum vereinbarten Zeitpunkt vor-fuhren, hatten wir insgeheim damit gerechnet, auf eine grössere Kinder-schar zu treffen, aber neben den gleichaltrigen Jungs war nur noch Bomali, eine siebenjährige Cousine, da. Selbstredend durfte sie auch mit und hat im Schuhladen gestrahlt, dass es eine Freude war.
Diesmal haben wir gar nicht erst versucht, die Kinder davon abzubringen, die Schuhe viel zu gross zu kaufen.
Anschliessend im Kleiderladen verliess Bomali das Lächeln – sie passte einfach nicht in die Kleider. Eine junge Verkäuferin – weshalb müssen die immer so gnadenlos schlank sein – versuchte lustlos, etwas Passendes zu finden, und als sie schlussendlich in eine Wühlkiste griff, hatte ich genug. Genauso oben herab wie sie Bomali behandelt hatte, beschied ich ihr, uns bitte Stoffe zu zeigen, wir würden massschneidern lassen! Bomali konnte wieder strahlen und um ihr die Qual der Wahl zu ersparen, habe ich von jedem der vier Stoffe, die in der engeren Aus-wahl waren, ein gutes Stück ab-schneiden lassen. Die Stoffe haben wir zu Chammi, der Schneiderin, gebracht um daraus Kleider, Jupes und Blusen schneidern zu lassen. Die Kosten für Stoff und das Nähen beliefen sich auf 25 Franken.
Unterdessen assistierte Michel den Jungs beim Hosen- und Hemdenkauf. Wie bei allen Kindern mussten es Jeans sein und als Michel sie ermunterte, ein zweites Paar auszusuchen, setzte sich die Tante durch und es wurde eine gute Stoffhose.
Maduka lebt von den vier Paten-kinder in den ärmlichsten Verhältnissen; sein fadenscheiniges Hemd war aber genauso wie die abgetragene Hose blitzsauber und er hat sich sehr über die neuen Sachen gefreut.
Sehr stolz und in beachtlichem Englisch hat er mir erklärt, dass sie einen Computer in der Schule hätten und er dadurch eine E-Mail-Adresse hätte. Ich werde ihm die Freude machen und fleissig E-Mails schreiben.
Wir haben auch Sifaya und ihre Töchter Nasreen und Nasmeela zum Einkaufen mitgenommen. Auch hier standen Schuhe für die Schule auf der Wunschliste, ebenso haben wir Kleider gekauft und ihre Vorräte aufgestockt.
Sifaya hat es mit ihrem zweiten Mann nicht so gut getroffen. Er verwitwete ebenfalls bei dem Tsunami und würde sich eher um seine Kinder aus erster Ehe kümmern, nicht aber um ihre Töchter. Zudem hätte es Unstimmigkeiten zwischen ihm und ihren Eltern gegeben, worauf diese wieder ins Hochland gezogen seien.
Er muss für sein gemietetes Tuk-Tuk täglich eine Gebühr von 245 Rupien bezahlen und so bleiben bestenfalls ein paar hundert Rupien Verdienst. Immerhin fährt er die Mädchen damit zur Schule in Hambantota.
Währenddessen sitzt Sifaya in der abgelegenen Siedlung und hat dort keine Möglichkeiten, etwas dazu zu verdienen. Die Versuche mit einem Laden schlugen fehl, da ihr Haus an der entlegensten Ecke der Siedlung steht. Ihr Mann würde sie nach seinen Möglichkeiten mit dem Nötigsten versorgen, für kleine Wünsche der Mädchen sei jedoch kein Platz.
Wir haben uns mit Roy beraten und seine Schwägerin Zariya wird in Gesprächen mit Sifaya nach einer Lösung suchen. Wir haben Sifaya nach dem Tsunami fast zwei Jahre mit einer monatlichen Zahlung unterstützt und ihr viel Hilfestellung gegeben. Es wird jetzt an ihr liegen, konstruktive Vorschläge zu machen.