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Adams Peak die Erste

Die Reise nach Sri Lanka im April 2002 kam spontan zustande. Ich war zusammen mit meinem Mann im September 01, kurz nach dem Anschlag der Tamiltigers auf den Flughafen, dort gewesen. Es waren kaum Touristen im Land und man war als Neuankömmling im Lanka Princess fast genötigt, sich bei den anderen Gästen per Handschlag vorzustellen. Das Lanka Princess ist ein vorwiegend von Deutschen besuchtes Ayurveda Hotel  Während sich die Mehrheit der wenigen Gäste in Yoga, Ayurvedaanwendungen und Kräutertee erging, lernten wir bei Sonne, Ausflügen und Arrak Angelika aus Oestereich kennen.

Wir blieben den ganzen Winter per e-mail in Kontakt und gegen Januar, Februar wurden die Nachrichten immer Sonnensehnsüchtiger. Anfang März schaute ich mich nach günstigen Flügen um, ich wollte schon immer einmal das singhalesische Neujahrsfest mitfeiern. Angelikas e-mails kamen in rascher Folge: „ich möchte auch“ , „ich kann mich vielleicht loseisen“ und schlussendlich „ich komme mit!“

Mit superbilligen Tickets aus dem Internet „nur für Inhaber der deutschen Staatsbürgerschaft“  standen am 8ten April eine Schweizerin und eine Oestereicherin am Checkin der Emirates in Zürich.  Wir hatten bewusst das Risiko in Kauf genommen, die Preisdifferenz bei Passvorlage nachbezahlen zu müssen , aber die Einzige Schwierigkeit bestand darin, meine 14 Kilo Schweizerschokolade so auf beide Handgepäckstücke zu verteilen, dass es Gnade fand.

Wir hatten für die ersten paar Tage und die letzte Woche unserer Reise das Bentota Beach Hotel gebucht, ein, auf den Grundmauern eines holländischen Forts vom einheimischen Stararchitekten  Geoffry Bawa erbauten Hotels, mit einem der traumhaftesten Gärten in ganz Sri Lanka. Den Rest der Reise wollten wir spontan mit einem Van und Fahrer unternehmen und einziger Fixpunkt sollte die Besteigung des Adams Peak sein.

Also mussten Wanderschuhe ins Gepäck – oder eben doch eher an die Füsse, nachdem wir feststellen mussten, dass sie im Koffer zuviel Platz einnahmen.

Es ist gar nicht so einfach mit einem deutschen Ticket, schweizer – respektive österreichischem Pass und Wanderschuhen ein Flugzeug nach Dubai zu besteigen und dabei ein möglichst unbeteiligtes Gesicht zu machen! Sonst immer mit der Sriankan direkt nach Colombo geflogen, war der Flughafen in Dubai nicht gerade dazu angetan, unser Selbstbewusstsein zu steigern. Man weiss ja wie reich die Emirates sind, aber müssen sie dass auch so unverblümt zeigen!?

Als wir dann beim Boarden zum Weiterflug nach Colombo herausgepflückt wurden, sank uns das Herz in die Trekkinghosen und wir wollten schon mit zitternden Fingern unsere Visakarten zücken. Mit strahlendem Lächeln wurde uns eröffnet, dass der Flug leider überbucht sei und sie uns deshalb in die erste Klasse umbuchen müssten. Nun, ich habe bis heute nicht verstanden, weshalb ein Deutscher 500 Franken billiger von einem schweizer Flughafen nach Colombo fliegen sollte ,aber für den Preis bei den Emirates in der ersten Klasse zu sitzen, war für unsere angespannten Nerven etwas viel. Wir versanken dermassen in den Sitzen, dass es schwierig war die Wanderschuhe auszuziehen.

Ein kurzer verstohlener Blick in die kleine, erlauchte Runde ergab fünf in dreiteiligen Businessanzügen steckende Araber und dieselbe Anzahl dienstbarer Geister. Mit einem Glas Champagner in der Hand sassen wir da wie die staunenden Kinder und Angelika fing an mit der Bedienung ihres Sitzes zu spielen. Da sich nicht nur ca. 6 Einzelabschnitte des Sitzes verstellen liessen ,sondern auch noch ein Knopf für die vollständige Liegeposition, sowie ein Knopf für die aufrechte Position vorhanden war, gingen bald ihr Kopf zurück, die Beine hoch, Füsse runter , Beine runter, Füsse hoch, Kopf nach vorne und anstatt einfach die Finger davon zu lassen, wurde sie immer hektischer und das Zappeln der knapp 50kilo Frau in dem monströsen Sitz so unerträglich. Wir fingen an zu lachen wie die Irren , die Geschäftsmänner waren amüsiert von der etwas anderen Bordunterhaltung und unsere Stewardess hat wohl noch nie Gäste bedient, die sich so über Speis und Trank und die vielen Aufmerksamkeiten des „Hauses“ gefreut haben. Sie hat sich auch nicht daran gestört, dass wir mit dem Zeigefinger jeweils auf das Gewünschte getippt haben. In der Holzklasse genügt es auf die Fragen: „red or white wine“ „beef or chicken“ jeweils eines der Wörter zu widerhohlen. In der ersten Klasse der Emirates ist Französisch erforderlich und das ohne Vorsagen!

Aus dem europäischen Winter  glücklich und leicht beschwipst in den frühen Morgenstunden in Colombo zu landen, war wie jedesmal unvergleichlich. Jacke und Pullover verstauen, sich mit eleganter Drehung des Reisverschlusses der Hosenbeine entledigen und Wanderschuhe gegen Flipflops eintauschen und schon ist man weit weg vom Alltag und lässt sich auch von der Hektik Colombos nicht mehr stressen.

Hatte ich bei meiner ersten Autofahrt in Sri Lanka den Krampf im rechten Bein vom „mitbremsen“, nehme ich mittlerweile die Gepflogenheiten als gegeben hin. Eine Beschreibung  in einem Reiseführer über den Strassenverkehr in Sri Lanka hat es mir besonders angetan: „ In Sri Lanka herrscht Linksverkehr. Das ist nicht auf den ersten Blick erkennbar.“ Das war alles und dem ist auch nichts hinzuzufügen.

Wir haben uns im Bentota Beach ein paar Tage anklimatisiert , uns im nahegelegenen Aida Restaurant, im La Gondola oder im golden Grill mit einheimischen Köstlichkeiten verwöhnen lassen, sind Boot und Wasserski auf dem Bentota Ganga gefahren und haben zugegebener Massen kaum an unsere Lieben im kalten Winter gedacht.

Ein Problem für allein reisende Frauen in Sri Lanka sind die Beachboys. Was für alternde Männer Thailand ist, ist für deren Ehefrauen Sri Lanka. Einem Beachboy klar zu machen, dass man nicht interessiert ist, gelingt eigentlich nur im Beisein des Ehemannes, dazu muss sich dieser aber ständig in unmittelbarer Nähe aufhalten. Auf eine weitaus effizientere Methode sind wir per Zufall gestossen. Auf dem Weg zum Abendessen stellten wir fest, dass es regnete und Angelika ging zurück an die Rezeption um einen Schirm zu besorgen, während ich vors Hotel trat. Hatte ich während meiner ersten solo Reise jeden Satz unweigerlich mit „ Mein Mann und meine drei erwachsenen Kinder angefangen.....“, konnte ich inzwischen ein paar Brocken singhalesisch und durch mehrere Besuche „kannten“ mich die meisten und liessen mich auch in Ruhe. Nicht so die Nachtschicht – kaum vor dem Hotel war ich umringt von ca. 8 dieser Prachtexemplare und es gab keinen Schritt mehr vor oder zurück. Als Angelika dazu kam, öffnete sich der Kreis kurz und wir waren beide gefangen. Die Situation war in keiner Weise bedrohlich, einfach nur lästig und als alles zureden nichts half, streckte ich spontan meine Hand nach Angelika aus und liess meine, für eine Frau und dreifache Mutter erstaunlich tiefe Stimme leicht vibrieren : „lets go, Honey“ Der Effekt hätte nicht dramatischer sein können:Sie stoben unter „oh, so sorry –ok,ok,- sorry, very sorry“ rückwärts davon und unser Zwerchfell wurde auf eine harte Probe gestellt.

Nach der ersten Freude über eine gemeinsame Reise stellten sich bei mir etliche Zweifel ein – ich kannte Angelika nur ein paar Tage, weil uns der Zufall in eines der wenigen geöffneten Hotels nach der Flughafenattacke verschlagen hatte, dafür kannte ich wahre Horrorgeschichten über langjährige Bekannte, deren Freundschaft nach einer gemeinsamen Ferienreise abrupt geendet hatte. Diese Befürchtungen waren alle umsonst, ich hatte eine wahre Seelenschwester gefunden und ich habe selten so viel gelacht.

Die Neujahrsfeiern in Sri Lanka sind für Touristen eher enttäuschend: Es handelt sich um ein ausgesprochenes Familienfest. Läden bleiben geschlossen, in Colombo geht das Brot aus und die betuchteren Einheimischen bevölkern die Hotels, weil ihre Hausangestellten zu ihren Familien gefahren sind. In den Touristenhotels werden die Gäste mit Abarten der einheimischen Neujahrsbräuche unterhalten. Ein Schild im Aida kündigte etwa an: 10. 00 a.m.: Wetttrinken von Soda aus der Nuckelflasche, 15.00 p.m.: blinde Kuh, 19. 00 p.m.: Kostümwettbewerb.

Im Bentota Beach war es vergleichsweise gnädig: Am Nachmittag massen sich Einheimische Gäste und Touristen im Sackhüpfen, versuchten mit verbundenen Augen mittels Stöcken aufgehängte Tongefässe zu zerschlagen, die zum Gaudi der Zuschauer mit Mehl oder Wasser gefüllt waren, und abends gab es einen Beautycontest. Nach Möglichkeit kleiden sich die Einheimischen zur Feier neu ein. Ich hatte bereits einen neuen Sari gekauft und wickelte Angelika in einen aus meinem Fundus ein: sie gewann damit den Wettbewerb! Neben einem Rubinanhänger brachte ihr dies noch eine Flasche Champagner ein, die wir am späten Abend am Strand getrunken haben. Es war der einzig wehmütige Abend dieser Ferien und wir haben uns gegenseitig damit gelangweilt, mit wem wir jeweils lieber nachts am Strand des indischen Ozeans Champagner trinken würden. Der rührselige Abend endete damit, dass ich ihr neidlos den Sari geschenkt habe.

Am nächsten Tag wimmelte die Gartenanlage von Männern mit Knopf im Ohr und auf Nachfrage flüsterte die Sekretärin: „the primeminister is in“. Der gute Mann blieb aber bis auf einen kurzen Ausflug auf das Hoteleigene Pontonboot unsichtbar, einzig die Knopfträger und seine Frau waren zu sehen.

Es ist schon komisch, wie man als Normalbürger auf hohe Tiere reagiert und nach etlichen Diskussionen bekam unsere Euphorie einen argen Dämpfer. In einem Land, in dem seit mehr als 20 Jahren Bürgerkrieg herrscht und in dem zum Wahlprogramm einer Partei das dezimieren von Mitgliedern der Gegenpartei gehört, ist es vielleicht nicht soo gut, im selben Hotel wie der Premierminister zu nächtigen!? Am Abend zog ein Tropengewitter auf und ich stand auf meinem Balkon mit einem Glas in der Hand und genoss das Naturschauspiel, als plötzlich nur wenige Meter entfernt ein Blitz in eine Palme fuhr. Der Donner war m

Mark erschütternd, die Palmblätter stoben funkend nach allen Seiten und ein stechend schwefliger Geruch breitete sich aus. Mein eben noch halbvolles Glas war leer und ich hatte Mühe, mit der linken Hand die verkrampften Finger der rechten vom Glas zu lösen. Halb taub torkelte ich in mein Zimmer und stellte dort fest, dass jemand gegen meine Türe hämmerte. Draussen stand eine zitternde Angelika, die sich erst nach einiger Zeit davon überzeugen liess, dass es sich nicht um eine Bombendetonation gehandelt hatte.

Am 15ten April fuhren wir frühmorgens mit unserem Fahrer Sam und seinem Toyota Van los. Ich kannte Sam von früheren Touren, er war mir von meiner einheimischen Freundin in Colombo empfohlen worden. Als sie von meinen Reiseplänen erfuhr, wollte sie unbedingt an der Besteigung des Adams Peak teilnehmen, da sich das Alleinreisen für eine Einheimische Frau nicht geziemt, wollte sie eine Freundin mitbringen und wir würden uns am 19. in Kandy treffen. Der Adams Peak ist der zweithöchste Berg in Sri Lanka und heilig. Auf dessen Spitze befindet sich ein Fussabdruck von wahlweise Buddha, Adam oder Shiva: Die Einheimischen habe eine grosse Toleranz anderen Religionen gegenüber und sehen in der Vielfalt nur die Vorteile: so wird jeder buddhistische, hinduistische, moslemische oder katholische Feiertag der Einfachheit halber meistens von allen gefeiert; in Sri Lanka vergeht kaum eine Woche ohne Feiertag, dazu kommt jedesmal das Poyafest an Vollmondtagen. Unser katholischer Fahrer verbeugte sich vor jedem Buddha oder Hinduschrein und auf Nachfrage kam ein Schulterzucken, was soviel heissen sollte wie“man kann ja nie wissen“.

Es ist ein grosser Vorteil in Sri Lanka mit einem katholischen Fahrer unterwegs zu sein. Da er nicht an Wiedergeburt glaubt, ist sein Fahrstil erträglich und wir kamen sicher über Kurunagale in Inamalawa , unserer ersten Station an. Inamalawa ist zwischen Sigiriya und Dambulla gelegen und daher ein guter Ausgangspunkt um diese Highlights in Sri Lanka zu besuchen. Es ist problemlos möglich ohne Zimmerreservationen loszufahren. Jedes zweite Haus hat Zimmer zu vermieten und sollte eines belegt sein, hat es im nächsten bestimmt Platz. Wir haben uns im Inawalawa Inn eingemietet weil es über einen Pool verfügt und grosse, saubere Zimmer hat, mit fast 3000 Rupien für Zimmer und Frühstück liessen wir uns zwar kräftig übers Ohr hauen, aber wir waren müde von der Fahrt und gönnten dem Besitzer das Extraeinkommen; ausser uns waren keine Touristen da.

Am nächsten Morgen, nachdem wir uns mit einem einheimischen Frühstück aus Stringhoppern ( Nudelnester aus Reismehl), Dhal, einem Linsengericht, und Hühnchencurry gestärkt hatten ,machten wir uns auf zu dem Sigiriyafelsen. Der Aufstieg auf den 200 Meter hohen Monolith ist vor allem im letzten Drittel nur für Schwindelfreie; falls man sich aber überwindet, wird man mit einer grandiosen Aussicht nach Norden in die Trockenzone, nach Süden ins zentrale Bergland und nicht zuletzt auf die ausgedehnten Gartenanlagen, die den Felsen umgeben, belohnt. Von der ehemaligen Festung sind nur noch wenige Ruinen vorhanden, man kommt jedoch nicht umhin die Kunstfertigkeit der Erbauer zu bewundern und sich zu fragen, wie sie wohl das Baumaterial hinauf geschafft haben.

Auch die Felsentempel von Dambulla stehen auf jeder Sri Lanka Rundreise; hier stellen die Affenhorden eine zusätzliche Attraktion dar. Wie jedes Tempelgelände ist auch hier der Boden heilig und man darf ihn nur barfuss betreten. Der Steinboden und die Treppenstufen heizen sich in der Sonne extrem auf und da sich die Affen anscheinend nur im Schatten erleichtern, gerät der Besuch von rosafarbenen Füssen in der Tempelanlage schnell zum vergnüglichen Schauspiel für die Einheimischen. Abhilfe schaffen ein paar grobe Socken, das Tragen solcher wird den verweichlichten Westlern grosszügig nachgesehen.

Weiter ging es nach Kandy. Dort hatte uns Faye ein Zimmer im Castle hill guest house reserviert. Der Name ist Programm: Die Aussicht auf die Stadt und die Blütenpracht des Gartens mit Worten nicht zu beschreiben. Wir haben den Zahntempel besucht, uns stundenlang den botanischen Garten angesehen und sind über den Markt gebummelt.

Am 19ten April brachte uns der Fahrer nach Peradeniya, wo wir im Zug auf meine Freundin Faye und ihre Bekannte Jeya trafen. Sie hatte uns Tickets für den Aussichtswagen besorgt und die Fahrt nach Hatton war ein einmaliges Erlebnis. Einzig unser Fahrer verstand die Welt nicht mehr: reiche Leute fahren mit dem Auto, arme mit dem Zug. Dass nun „reiche“ in den Zug steigen und den Wagen leer nebenher fahren lassen, war ihm nicht geheuer.

In Hatton war er sichtlich erleichtert als wir wieder in seinen Wagen einstiegen und fuhr uns nach Dalhousie, dem klassischen Ausgangspunkt für die Besteigung: das Abenteuer Adams Peak konnte beginnen.

Wir kamen spät am Abend an, assen auf der Terrasse des Wathsala Inn ein herrliches Omelett und schauten auf dieses unscheinbare Dreieck mit dem beleuchteten Aufstieg, der sich in der Dunkelheit abzeichnete.

Wir bekamen das letzte Zimmer mit vier Betten, aber es herrschte dermassen Betrieb, dass an Schlaf nicht zu denken war.

Ich hatte mich gründlich auf den Adams Peak vorbereitet, jede noch so kleine Information gelesen: 7km Wegstrecke, 1000 Höhenmeter, etwas über 5000 Treppenstufen, Blutegel, klirrende Kälte auf dem Gipfel und entweder in geistiger Umnachtung oder um dem Aufstieg den Schrecken zu nehmen, den Abstieg nach Carney Estate geplant: 11km Wegstrecke 1600 Höhenmeter und die dringende Empfehlung, diesen Weg nur in grösseren Gruppen zu unternehmen. Ich hatte die anderen an meinen gewonnen Erkenntnissen teilhaben lassen, sie mit meinem Enthusiasmus angesteckt und wir wussten alle genauestens, worauf wir uns einlassen würden   .!? Auch die Frage der Fitness war diskutiert worden, ich sah mich und meine Zigarettengeschädigte Lunge als schwächstes Glied in der Kette und schickte unseren Fahrer mit gemischten Gefühlen los. Er sollte nach etwas Nachtruhe nach Carney Estate fahren um uns dort in Empfang zu nehmen, wir machten uns um 1 Uhr nachts auf den Aufstieg.

Der Pfad von Dalhousie ist beleuchtet und alle paar Meter gibt es kleine Teebuden, welche die  Pilger auch mit Fladenbrot, Bananen und Trinkwasser versorgen; es ist also nicht notwendig, sich auch noch mit Tragen von Proviant zu plagen.

Faye und Jeya stürmten wie die Hühner los, und alles gute Zureden, auf uns Alpenländler zu hören und es gemächlich angehen zu lassen, half nichts. Als es dann so richtig steil wurde, hatten die Damen keine Luft mehr. Um diesem ermüdenden Stop and go zu entgehen, beschlossen wir, dass Angelika vorausgehen und ich die Nachhut bilden sollte. Sie waren leicht schockiert von unserem Ansinnen und warnten uns eingehend vor den „Gefahren“, denen wir als weisse Frauen allein ausgesetzt sein würden. Diese entpuppten sich aber höchstens in erstaunten Blicken und sehr freundlichen Grüssen der Einheimischen. Nach  jeweils etwa 20 Minuten Pause machte ich mich gemächlich auf den Weg und hatte sie nach 7 – 8 Minuten wieder eingeholt und so weiter und so fort, bis es schliesslich eng wurde für den Sonnenaufgang und ich auch vorausging. Auf dem schmalen, aber überall gesicherten Pfad war es unmöglich sich zu verlaufen, und die letzten 200 Meter bestanden praktisch aus Eisenleitern, und ich staunte, mit welcher Leichtigkeit ich da hochkam.

Das Plateau misst ca. 50 qm, ist rundum von einer Mauer umgeben und in der Mitte liegt der kleine Tempel, dessen Heiligtum der Fussabdruck Adams im Felsen ist. Die Delle ist nur mit viel Phantasie als solcher zu interpretieren, zumal sie etwa anderthalb Meter in der Länge misst.

Faye und Jeya schafften es gerade rechtzeitig zu dem atemberaubenden Sonnenaufgang, hatten aber,, wie die meisten Einheimischen, kein rechtes Auge für das Naturschauspiel, die Geräuschkulisse, die bunte Mischung der Pilger, und wollten nach dem Motto: wir haben es jetzt gesehen, einfach nur wieder runter.

Man muss nicht Buddhist sein um zu wissen, dass alles wenn und hätte nachträglich müssig ist, aber nach unserer berggängerischen Leistung beim Aufstieg hätten wir uns auf den stark frequentierten Rückweg nach Dalhousie machen, uns dort einen Fahrer suchen und Sam kontaktieren sollen, damit er uns entgegen fährt. Wir machten uns um 7 Uhr morgens auf den Abstieg nach Carney Estate.

Obwohl das erste Drittel des Abstiegs zwar steil, aber sehr einfach war – mit einer Aussicht auf den Peak, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde – kamen wir einfach nicht  voran, und alles zureden, anständig zu essen und zu trinken, fruchtete nichts. Um zwei Uhr nachmittags (Angelika und ich wären zu dem Zeitpunkt schon längst unten gewesen) beschlossen wir, dass Angelika bei Faye und Jeya bleiben sollte, während ich hinuntersteigen und Hilfe hohlen würde, da ich fliessend englisch spreche. Gut, dass ich mir nie die Mühe gemacht habe, isländisch zu lernen: Es hätte mir ähnlich viel genutzt und die folgenden drei Stunden waren die schlimmsten meines Lebens. Die Teehütten auf der Ratnapuraseite sind viel dünner gesät und mich vor ein Dutzend ungläubig starrende Einheimische zu stellen und in die Runde zu fragen:“do you speak english?“, war noch die leichteste Übung. Auch war es nicht möglich, mit „help“und „trouble“mehr als nervöses Kichern zu ernten, und ich beschränkte mich bald darauf, mit einer Banane in der Backe eine Flasche Cola in Rekordzeit zu leeren und weitere Bananen nachschiebend so schnell als möglich runter zu kommen. Zu wissen, dass er für eine Frau allein auf der Ratnapuraseite mehr als gefährlich war, die schreienden Affenhorden zu beiden Seiten in dem dichten Urwald, der prompt um vier Uhr einsetzende Regen und dass Wissen, dass es um 6Uhr stockdunkel werden würde, machten es nicht einfacher und ich war ein paar Mal drauf und dran, weinend auf einem Stein sitzen zu bleiben. Ich hatte dummerweise neben meiner Tasche noch die von Faye dabei, und da die zweite Hälfte des Abstiegs mörderisch steil war und ich mich, teilweise mit beiden Händen an Luftwurzeln festhaltend hinunterhangelte, blieb mir nichts anderes als die beiden Taschen kreuzweise um meinen Hals zu tragen. Das hatte diesen „Hebt und teilt“ Effekt, den sich schon Triumph zu Nutze gemacht hat und für mich den unschönen Nebeneffekt, von zwei Gruppen junger Einheimischer etwas ungarstig angemacht zu werden.

Der Regen war so stark, dass ich zeitweise nicht mehr wusste, ob ich mich in einem Bachbett oder noch auf dem Pfad befand, und ich bin die letzte halbe Stunde mehr auf dem Arsch als auf den Beinen nur noch geschlittert, durchnässt bis auf die Knochen, war dreckig wie ein Schwein und völlig am Ende, als ich an eine Gabelung kam. Eine Gruppe Einheimischer stand dort unter zwei Wegweisern in singhalesischer Schrift und starrte mich an wie eine Erscheinung. Ich fragte nach dem Weg und erntete wieder dieses Kichern, und meine Nerven liessen mich im Stich. Wäre ich den falschen Weg hinuntergestiegen, ich wäre nie wieder hochgekommen. Da sie mich eh nicht verstanden, spielte es auch keine Rolle dass ich sie in breitestem walliser Dialekt höchst unfreundlich anbrüllte –ein unsägliches Verhalten in Sri Lanka- und meinen Redeschwall mit „ wa müesi jetz embri fir uf Carney Estate“? abschloss. Als dann alle Hände in eine  Richtung zeigten, war es an mir zu staunen, und ich setzte mit einem entschlossenen „geit doch“ und einem kurzen säuerlichen Lächeln den Weg fort.

Samson, unseren Fahrer anzutreffen war auch einer der Augenblicke dieses Trips, den ich nie vergessen werde. Ich ging buchstäblich in die Knie vor ihm, und nach kurzen Erklärungen machte er sich mit Elektrolytlösung , dass Pulver hatte ich mit flatternden Händen kaum in die Flasche bekommen und wohl besser selber getrunken, der Medikamententasche und den Jacken auf den Aufstieg, nicht ohne mir einzuschärfen, ja beim Wagen zu bleiben und mit einem verschämten Blick zur Seite ob der Intimität, ein sauberes T-shirt anzuziehen.

Was ich nicht wissen konnte, war, dass eine einheimische Familie mit vier spindeldürren Söhnen sich kurz nachdem ich die Gruppe verlassen hatte, sich ihrer angenommen hatte und Faye und Jeya insgesamt 6 stunden hinunter trugen und das bei 80 Kilo bei der einen und 60 bei der anderen. Wie sie das bei dem schwierigen Terrain geschafft haben ist mir bis heute ein Rätsel.

Carney Estate ist nicht mehr als eine Ansammlung von Verkaufsbuden für alle Bedürfnisse von Pilgern und einem kleinen Tempel. Da es noch hell war machte ich mich auf den Weg um ein Telephon zu suchen. Mein Rundgang war sehr ernüchternd und ich liess mich entmutigt auf den Treppenstufen vor dem Tempel nieder und zündete mir eine Zigarette an. Eine sanfte Stimme forderte mich auf, dies bitte zu unterlassen und meine Schuhe auszuziehen, da ich mich bereits auf dem Tempelgelände befinden würde. Ich fiel von unbändiger Freude, dass endlich jemand „meine“ Sprache sprach in glühende Scham über mein Fehlverhalten und war versucht ihm zu erzählen ich käme aus Germany , habe ihm dann meine Situation geschildert und er machte sich auf den Weg um zu sehen,  ob das einzige Telephon im Ort funktionierte. In der Zwischenzeit musste ich seinen Job übernehmen: er setzte mich in ein aus Brettern gezimmertes Verkaufshäuschen und holte aus einer Schublade Blöcke mit Eintritts Coupons für den Tempel: Die sollte ich allfälligen Pilgern verkaufen. Das Geschäft lief leider gar nicht, die handvoll Leute, die auftauchten, traute sich nicht bis an die Kasse.

Das Telephon funktionierte tatsächlich und ich rief im Gästehaus in Ratnapura an, das wir für den Abend reserviert hatten, um ihnen einzuschärfen, einem Herrn Ismail aus Colombo auszurichten, wir hätten um 6 Uhr eingecheckt und seien dann essen gegangen. Er war von Anfang an nicht begeistert von unserem Vorhaben, und ich wollte die Situation für Faye nicht noch mehr komplizieren. Es sei soweit alles in Ordnung, nur würden wir es nicht vor 10 Uhr schaffen und es hätte keinen Sinn, dass er sich unnötig Sorgen machen würde.

Soweit alles in Ordnung war die Untertreibung des Jahres. Gegen 7 Uhr kam Angelika aus dem Urwald gewankt und war heilfroh mich anzutreffen. Nachdem Samson die Gruppe erreicht hatte, machte sie sich auf den Abstieg und wurde von einem Einheimischen mit hoch gehobenem Sarong aufs widerlichste bedrängt. Einzig der Umstand, dass sie schon in der Nähe der ersten Häuser war und vor Wut und Schreck den halben Urwald zusammenschrie, hat den Kerl in die Flucht geschlagen.

Eine weitere Stunde später kam Samson und war tierisch wütend, als er nur Angelika beim Wagen vorfand. Ich war nur um die Ecke und er fand, ich sei ein: bloody fucking tourist! Mir war zu dem Zeitpunkt immer noch nicht klar wie gefährlich die Situation wirklich war. Das ganze Tal wusste über unseren Schlamassel bescheid und Hilfe wäre nur gegen Geld zu bekommen gewesen, je später desto mehr.

Sri Lanka ist generell ein sehr sicheres Reiseland, auch für allein reisende Frauen, aber wie überall auf der Welt gibt es auch hier Ausnahmen von der Regel. Die Edelsteinstadt Ratnapura zieht neben Geschäftsleuten aus aller Welt auch die damit verbundene Halbwelt an, und in den illegalen Minen im Umland haben Hunderte von Armeedeserteuren Unterschlupf gefunden.

Man hatte Faye und Jeya zu der Abzweigung gebracht, an die ein Weg durch die Teefelder mündete, und nach langen Hin und Her liess uns ein Polizist  passieren ohne die verlangten 3000 Rupien bekommen zu haben. Die „Strasse“ wäre wohl kaum für einen Traktor passierbar gewesen und was Samson seinem Van abmurkste war unbeschreiblich. Ein paar Mal stellte der Motor ab und wir schlitterten rückwärts und stellenweise war alles überflutet. Als er zum dritten Mal ansetzte einen Fluss zu überqueren, wollte ich nur noch aussteigen. Auf seinen sanften Hinweis, es würde von Blutegeln wimmeln, liess ich es dann bleiben. Einer der Söhne war mit im Wagen und es brauchte etliche Überredung von Samson, dass der arme Kerl mit der Taschenlampe loszog. Es war so dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen sah und es regnete immer noch in Strömen. Der „bloody fucking tourist“ schlug dann vor, die Scheinwerfer einzuschalten, damit die uns besser finden würden. Er würde den Teufel tun, bevor er nicht zu 100% sicher sei, wer da aus dem Urwald käme. Als ich realisierte, dass er Angst hatte, habe ich nur noch geschlottert und zwei Tage nicht damit aufgehört.

Nach etwa 20 Minuten wurden Faye und Jeya von den Jungs über den Fluss getragen, deren nackte Füsse schwarz von Blutegeln waren. Die Beiden mussten in die Karre gehievt werden, und was dann kam, war zuviel für meine Nerven. Faye fragte nach ihrem Regenschirm, vermisste die Medikamententasche und wollte wissen, ob ich gut auf ihre Tasche aufgepasst hätte.

Eine Woche später habe ich ihr gesagt, dass ich sie zu dem Zeitpunkt am liebsten mit blossen Händen erschlagen hätte.

Der Wagen musste buchstäblich von Hand gewendet werden, und beim runterfahren kam die Steilheit des Geländes erst richtig zu Bewusstsein. Meine Nerven waren so angespannt, dass ich mir geschworen habe, nie, aber wirklich nie wieder einen Fuss auf diese Gottverlassene Insel zu setzen.

Im Travellers Halt, einem einfachen Gästehaus in Radnapura assen wir noch eine Kleinigkeit und fielen dann in unsere Betten. Im nahegelegenen Kalawathie Resort liessen wir uns am nächsten Morgen die schmerzenden Glieder massieren und fuhren dann über die Teeplantagen hinunter zur Südküste.

Die Ladys hatten Zimmer im Club Horizon in Weligama gebucht, und Samson setzte mich und Angelika im Noit Gedacht in Unawatuna ab. Natürlich wurde uns das teuerste Zimmer zuerst gezeigt, ein Riesenraum mit Himmelbett, ein angrenzendes Einzelzimmer und ein 20qm grosses Badezimmer mit teilweiser Aussicht auf den Nachthimmel. Die 3000 Rupien waren gut angelegt, und es war einer der schönsten Häuser in Sri Lanka, in denen ich übernachtet habe. Die Massage im angeschlossenen Ayurveda center war eine Wohltat für Leib und Seele, und zwei Tage später kehrten wir müde, aber glücklich ins Bentota Beach zurück.

Dort waren die letzten Tage nur noch entspannen angesagt und wir haben in stundenlangen Gesprächen unser Abenteuer aufgearbeitet.

Am letzten Abend sassen wir an der Bar und ein Mann gesellte sich zu uns, der uns nicht nur durch seinen eigenartigen Gang aufgefallen war; sein Interesse an Angelika war unverhohlen. Als er sich nach kurzem smalltalk in die Brust warf und von seinem mörderischen Aufstieg auf den Adams Peak erzählte, machten wir den fatalen Fehler uns anzuschauen.

Ich hoffe der arme Kerl liest einmal diese Zeilen: es lag nicht in unserer Absicht so lange laut loszubrüllen bis der ganze Saal zu uns herübersah, der Barkeeper Servietten reichte, damit wir die Tränen abwischen konnten, und wir uns aneinander klammerten mussten, um nicht von den Barhockern zu fallen, bis er sich so schnell es sein Muskelkater erlaubte, vom Acker machte.

Wir konnten einfach nicht anders!

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